Andacht

 

 

 

Gedanken zum Monatsspruch November aus dem Kirchenbrief der
JCB Kirchengemeinde
von Pfarrerin Pia L. Rübenach

 

So spricht Gott, der HERR:
"Verirrte suche ich und Verstreute sammle ich wieder ein. Verletzte verbinde ich und Kranke mache ich stark

(aus Ezechiel 34)

 

 

Ich reise zur Fortbildung nach Rendsburg. Mein Auto streikt und ich nehme den Bus und die Bahn mit Umsteigen in Hamburg. Ich stehe am Hamburger Hauptbahnhof und bin fassungslos. Rempelnde Passagiere mit großen Koffern kenne ich, die Flut an Menschen, die ihren Zügen nacheilen, kenne ich auch.

Aber, was ich sehe, sind unzählige und irrende Menschen, die sichtbar durch die Maschen gefallen sind: Drogenabhängige Menschen aus Syrien, Deutschland und dem Ostblock, Frauen wie Männer, gekrümmt, taumelnd oder zum Teil sich irgendwie abstützend. Ihre Augen leer, die Farbe verschwunden und ihr Blick wie verloren. Dazwischen nach Alkohol riechende mit verdreckten Klamotten am Boden hockend.

Menschen, die sich mit der Flasche in der Hand lautstark streiten, und einer geht gerade dazwischen und ruft: „Frieden, ich komme im Namen Buddhas!“ Polizeisirenen, Krankenwagen und mittendrin der Reiseverkehr in alle Richtungen. Ich bin viel herumgekommen und kenne viele Bahnhöfe, aber das kenne ich so nicht: Geballte Verlorenheit zum Greifen nah. Menschen, die irgendwie überleben. Und keiner schaut mehr hin. Das ist durch. Verdrängung und Gewöhnung. Wir fühlen uns abgestoßen von Gerüchen, Verwahrlosung und Anblick.

 

Auch Richtung Hamburg ruft der HERR: „Verirrte suche ich und Verstreute sammle ich wieder ein. Verletzte verbinde ich und Kranke mache ich stark!“ Da wird er viel zu tun haben. Ein riesiges Vorhaben wartet auf ihn. Die, die in der Öffentlichkeit zum Straucheln gekommen sind. Und auch die, die hinter den Fassaden in Einsamkeit geraten sind. Die ihr Leben kaum noch ertragen und abschließen. Verlorene haben wir zuhauf und es werden täglich mehr, die flüchten und ohne guten Hirten sind. Gerade im Winter rückt das Leben der Menschen ohne Obdach wieder mehr in den Mittelpunkt. Die Kälte ist eine zusätzliche Bedrohung, und Enge. Gott hat viel zu tun, die Köpfe der Menschen zu entwirren und ihnen neuen Halt zu geben.

Werden Verirrte den Weg mit Gott hinauswagen? Werden ihre Hoffnung und Sehnsucht größer als die erdrückende Wirklichkeit?  Glauben sie an ihre Gesundung? Das Bild am Bahnhof trägt nicht diese Hoffnung. Es ist eine unglaubliche Last und Verantwortung, die in der Bibel im November zur Sprache kommt.

Ein herzliches Gottbefohlen,
Ihre Pia Luise Rübenach


 

 

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