Andacht

 

Gedanken zum Monatsspruch Mai aus dem Kirchenbrief der Blumhardt Kirchengemeinde von Pfarrerin Pia Rübenach

 

Zu dir rufe, ich, Herr; denn Feuer hat das Gras gefressen, die Flammen haben alle Bäume auf dem Feld verbrannt.
Auch die Tiere auf dem Feld schreien lechzend zu dir; denn die Bäche sind vertrocknet.
(Aus dem Alten Testament, Prophet Joel, Kapitel 1)



Das, was in diesen beiden Sätzen beschrieben wird, möchte ich nicht erleben. Eine große Katastrophe legt sich über alles: verbrannt, verkohlt, vertrocknet. Die Gegenwart ist verloren und an Zukunft ist nicht zu denken. Es sind schwerste Zeiten. Die meisten von uns kennen solche Katastrophen aus dem Fernsehen: Menschen erleiden wahre Katastrophen. Wir sitzen dabei auf der Couch und beobachten diese Geschehen aus der Ferne im „Fern“Seher. Wir sehen zerbombte Wohnungen, die wie Kartons aufgeschlitzt sind. Menschen, mager und schreiend. Vertrocknete Bäche, Mütter, die vor Hunger, Durst und Schmerz ihre Babys nicht mehr stillen können, ausgemergelte Tiere wie Skelette. Und Überschwemmungen, wo Bäche werden zu reißenden Strömen werden, in denen Autos schwimmen, Unrat und Müll. Das Chaos hat sehr viele Gesichter.

Sicher haben auch Sie Erfahrungen in schwersten Zeiten. Laute Verletzungen und Verletzungen, die still schreien. Schreie sind oft leise. Im Text oben nicht! Gut so, wer den Mund aufmacht und vertraut, bittet um Hilfe, vertraut sich jemandem an, ruft zu Gott, sucht nach Wegen. Wer keinen Menschen hat oder keinen Gott hat, hat es noch schwerer. In der Not den Mund aufzumachen, ist ein großer Schritt. Nicht alles in sich hineinzufressen und den Rücken krumm zu machen, ist immer ein großer Schritt. Doch nicht jede Verletzung schreit, manche schweigt. Der Beter in unserem Mai-Text findet deutliche Worte. Hier ist nichts schön zu reden, hier schreit das Leid zum Himmel und das soll Gott von ihm hören. Gott ist genau hier und genau jetzt. Der Adressat ist gefunden, der Himmel muss ran!

Leid und Verletzungen sind in jedem von uns. Wir suchen Strategien, damit umzugehen. Die Not einer Großstadt ist weniger das verdorrte Tier. Es ist mehr die verdorrte Seele. Es gibt viele einsame Menschen. Wenige reden so darüber, dass sich etwas ändert. Zwei Menschen, die darüber reden und losschwimmen, sind vermutlich zu zweit weniger einsam. Viele sind stattdessen den unantastbaren Städter oder Städterin. Wir mimen nach außen den flotten, ewig jungen Menschen und schicken uns zur Abwechslung Katzenvideos und Bilder über WhatsApp. Gesättigt, versorgt und einsam. Eine Not, die der Bibel so noch fremd war. Doch Jenseits von Eden stehen sich auch Menschen mit Geld selbst im Weg.

 

Am Fuße der Akropolis steht eine Frau mit ihren selbstgemachten Ketten. Jedes Jahr schaue ich bei ihr vorbei. Sie kommt aus Rumänien und ist mit ihren Kindern vor etwa 10 Jahren nach Griechenland gekommen, um ihre schwerkranke Schwester zu pflegen. Die Schwester starb und sie ist in Athen geblieben. Sie ist eine kluge und schöne Frau, die mit ihren aufgezogenen Perlen und Ketten beide Kinder und sich ernährt. Wir reden gern miteinander und natürlich kaufe ich herzlich gern bei ihr, da sie einen wunderbaren Geschmack hat. Beim letzten Gespräch im Herbst war sie nachdenklich und sprach:“ Ich kann meine Kinder und mich ernähren, aber manchmal bekomme ich Angst, wenn ich an mein Alter denke oder wenn ich krank werde. Was wird dann sein? Wer eine Rente hat, muss ein glücklicher Mensch sein!“ Ich war etwas verblüfft und merkte, wie sich die Perspektiven verschieben. Der Satz dieser Frau geht mir immer noch nach. „Wer eine Rente hat, muss ein glücklicher Mensch sein!“ Ist das so?

 

Der biblische Text lässt im Mai manche Fragen nach Not, Hilfe und Glück zu. Wo ist die Verhältnismäßigkeit? Wo identifiziere ich mich mit meinen Sorgen? Wo ist meine Toleranz, aber auch meine Achtung vor mir selbst? Wo bin ich? Was bringe ich ein? Wieviel Geld kann mich wie glücklich machen? Wie sorge ich dafür, dass das Hässliche, mit dem ich konfrontiert bin, das Schöne in mir nicht auslöscht?  Wie sehe ich auf Nöte? Der Prophet Joel sieht auf nichts Schönes mehr. Er ist am Ende. Sicher war das ein langer Weg für ihn, zu kapitulieren und zu verstehen, dass nichts mehr geht. Klagen ist ein hartes Geschäft. Für beide Seiten. Jetzt nimmt der Prophet Gott in die Verantwortung. Jetzt ist Zeit für Veränderung und das Grün und das Leben. Jetzt ruft er laut um Hilfe!

 

 

Mit Grüßen in den Mai,

Ihre Pia Luise Rübenach